77 Jahre Kriegsende: Bäume gegen das Vergessen
Kammerstein (dn) „Nie wieder Krieg“. Für Volker Bauer ist das einer der Kernsätze seiner politischen Arbeit. Ein Satz, der immer wieder in Erinnerung gerufen werden sollte. Zum 8. Mai, dem Tag der Kapitulation Nazideutschlands, pflanzten der Landtagsabgeordnete und die Beauftragte der Staatsregierung für Vertriebene und Aussiedler Sylvia Stierstorfer darum gemeinsam mit der mittelfränkischen Europaabgeordneten Marlene Mortler und Bürgermeister Wolfram Göll in Kammerstein-Haag einen ersten Erinnerungsbaum. Ein erster unter hoffentlich vielen tausend Bäumen in Bayern, ginge es nach Bauer. Der Ort wurde mit Bedacht gewählt, so Bürgermeister Göll. Viele der rund 55.000 in Schwabach angekommenen Heimatvertriebenen fanden in der Haager Rangau-Siedlung eine neue Heimat.
Krieg, Flucht und Vertreibung; gestern und heute
Eine Situation, die sich heute unter anderen Vorzeichen wiederholt. So fand eine ukrainische Familie vorübergehend eine neue Heimat in der Brüsseler Wohnung der Europaabgeordneten: „Aber ein Großteil der Flüchtlinge aus der Ukraine will so schnell es geht in ihre Heimat zurück und sie wieder aufbauen. Eine Option, die die Heimatvertriebenen damals nicht hatten. Sie haben sich mit großem Engagement in Franken eingebracht und unsere Region bereichert“, blickte Marlene Mortler voll Respekt zurück.
Sylvia Stierstorfer, deren Familie zum Teil aus dem Sudetenland stammt, unterstützt seit Jahren engagiert die Arbeit der Landsmannschaften. Sie unterstrich bei der Baumpflanz-Aktion, dass es gerade die Heimatvertriebenen waren und sind, die gegen Hass und Revanchismus und für Völkerverständigung und ein geeintes Europa stehen. „Lebendiger Ausdruck dessen war“, so die Beauftragte, „vor allem die Charta der Heimatvertriebenen von 1950, in der sie sich gegen Gewalt aussprachen und zur Verständigung bekannten“. Vor zwei Jahren war dies auch Thema eines großen Symposiums, zu dem Stierstorfer gemeinsam mit der Hanns-Seidel-Stiftung nach München eingeladen und bei dem unter anderen Prof. Horst Teltschik mit ihr darüber diskutiert hatte.
MdL Bauer seit Jahrzehnten in Erinnerungsarbeit tätig
Auch für den CSU-Kreisvorsitzenden Volker Bauer ist der Einsatz für eine zu Frieden und Toleranz mahnende Erinnerungskultur seit Jahren selbstverständlich. Bereits in jungen Jahren organisierte er Zeitzeugengespräche zum Kriegsgeschehen um den Heidenberg. Als Landtagsabgeordneter weitete der er die Gedenkarbeit auf alle Kommunen im Kreis Roth aus. Seit April 2018 verfolgt der Umweltpolitiker einen zweiten Ansatz: Erinnerungs- und Biodiversitätsarbeit verbinden. Seinerzeit gestaltete Bauer mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft ein „lebendiges Denkmal“ in Erinnerung an die Vertreibung nach Schwabach nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben einem Gedenkstein mit Vogeltränke blühen seither jährlich fränkische Apfelbäume mit aufgepfropften Ästen aus den Herkunftsregionen der Vertriebenen.
„Erinnerungsbäume“ als Maßnahme im Streuobstpakt?
Als Ministerpräsident Markus Söder 2021 mit dem Streuobstpakt die Pflanzung von einer Millionen Streuobstbäume bis 2035 verkündete, regte Bauer in der CSU-Landtagsfraktion an, die Pflanzung von Erinnerungsbäumen zu fördern. „Mit einem Apfelbaum und Tafel wird dann beispielsweise an die Vertreibung der Großeltern oder den gefallenen Großvater erinnert – und gemahnt, wie Nationalismus und Propaganda dazu führten“, erklärte der Umweltpolitiker. Es gehe darum, verschiedene Ziele in Verbindung zu denken und landesweit möglichst viele Gruppen ins Boot zu holen, etwa Soldaten- und Kameradschaftsvereine, Landsmannschaften aber auch Kommunen. In den ministerialen Amtsstuben stieß Bauers Ansatz auf Skepsis. Erinnerung habe nicht „vermischt“ zu erfolgen. Der Kammersteiner sieht dies in Zeiten zunehmender Kommunikationsblasen anders – und wirbt daher in einzelnen Kommunen und bei der Beauftragten der Staatsregierung für Spätaussiedler und Heimatvertriebenen für die Idee.